STALAG – Abkürzung für Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager
Die menschenverachtende Behandlung russischer Kriegsgefangener hat System. Schon Monate vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 macht Adolf Hitler vor Generälen der Wehrmacht klar, welchen Charakter der Feldzug haben soll: „Wir müssen vom Standpunkt des soldatischen Kameradentums abrücken. Der Kommunist ist vorher kein Kamerad und nachher kein Kamerad! Es handelt sich um einen Vernichtungskampf.“ Für die zu erwartenden russischen Kriegsgefangenen werden im Deutschen Reich vorab spezielle Lager eingerichtet, die der Wehrmacht unterstehen.
16. Entschädigung für geleistete Arbeit in der Nachkriegszeit
Die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter sind über mehrere Jahre zu minimalen Löhnen beschäftigt worden. Durch untertarifliche Einstufung, nicht konvertierbares Lagergeld und die Anrechnung überhöhter Verpflegungs- und Unterkunftskosten wurde ihre Arbeitskraft ausgebeutet.
Die Entschädigung wurde nach dem Krieg auf den Zeitpunkt nach der Wiedervereinigung verschoben. Ausschließlich mit westlichen Ländern wurden von 1959 bis 1964 zwischenstaatliche Abkommen über Entschädigungen vereinbart. Erst vier Jahre nach der deutschen Vereinigung wurde 1993 mit den Staaten der ehemaligen UdSSR ein entsprechender Notenwechsel für eine Entschädigung für Zwangsarbeiter ausgetauscht. Für die Republik Weißrußland, die Russische Föderation und die Ukraine sind Stiftungen gegründet worden, die einen Betrag von insgesamt 1 Mrd. DM verwalten.
Welche Bedeutung diese Entschädigungsversuche auch dann noch hatten, wird an der Größenordnung von Anfragen nach Beschäftigungsnachweisen beim Internationalen Suchdienst in Arolsen 1994 deutlich: “Allein aus Moskau kamen – hauptsächlich von ehemaligen Zwangsarbeitern – auf einen Schlag 350 000 Anfragen”. Durch dieses späte Reagieren erreicht man einen großen Teil der Betroffenen ungenügend oder wegen ihres Todes gar nicht.
Die damals begünstigten Betriebe wurden an der Entschädigung bisher in keiner Weise beteiligt.
“Sowjetische Kriegsgefangene und zahlreiche andere ausländische Verfolgte der NS-Herrschaft sind kaum in das Blickfeld der deutschen Öffentlichkeit gelangt. Für die Menschen hat diese Tatsache zur Folge, dass sie keine individuelle Entschädigung aus Deutschland erhalten haben. Die in den letzten Jahren stattfindenden Bemühungen, über Stiftungen in den osteuropäischen Ländern hier eine Abhilfe zu schaffen, kommen sehr spät und sind in der Umsetzung noch zu ungenügend, um tatsächlich einer großen Zahl von Überlebenden eine Erleichterung bei der Bewältigung ihres Lebensabends zu bieten”, urteilte Thomas Lutz in der Beilage zur Zeitschrift „Das Parlament“ bereits am 6. Januar 1995.
Erst 1999 ist der Chefunterhändler und Sonderbeauftragte der Bundesregierung im Streit um die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern, Otto Graf Lambsdorff, von der Bundesregierung beauftragt worden, eine abschließende Regelung zu finden.
Es bestand für diese Frage ein hoher Zeitdruck, da insbesondere aus den USA ein großer Prozeßstau entstanden war und die direkt Betroffenen bald gestorben sein würden.
Große Diskrepanzen gab es über die Zahl der Betroffenen und über die Höhe der Entschädigung. Nach Informationen des „Wall Street Journal“ haben die Anwälte der Kläger in den abgelaufenen Verhandlungsrunden insgesamt 28,7 Milliarden Dollar Entschädigung gefordert. Die Schätzung der noch anspruchberechtigten Opfer schwankt zwischen 600.000 und 2,3 Millionen.
Die Vertreter der deutschen Industrie bestanden auf einer „freiwilligen“ Entschädigungleistung im Rahmen der Stiftungsgelder und auf einen grundsätzlichen Verzicht auf weitere Prozesse. Diese Forderung wird aber durch die Komplexität der internationalen Rechtsbeziehungen schwer erreichbar sein. In rechtsstaatlichen Ordnungen lassen sich Klagerechte nicht grundsätzlich durch staatliche Regelungen einschränken. Möglicherweise ist eine parlamentarische Empfehlung an die amerikanischen Richter ein Kompromiß, mit dem man spätere Prozeßlawinen einschränken kann.
In den Verhandlungen waren Vertreter von US-Klägern, Opfergruppen aus Rußland, Polen, der Ukraine und jüdischen Organisationen mit Unterhändlern der deutschen Regierung und der Industrie im Gespräch.
Auch wenn viele Kriegsgefangene – besonders sowjetische – mit Abstand schlechter behandelt wurden, als die internationalen Konventionen es zuließen, werden sie an den vorgesehenen Entschädigungen nicht teilhaben. Eine Ausnahme könnten die sogenannten „Zivilgeschriebenen“ sein, diejenigen Gefangenen, die freiwillig oder unter Druck ihren Kriegsgefangenenstatus aufgaben und als Fremdarbeiter für Deutschland arbeiten mußten, wobei sie in der Praxis vielen Zwangsarbeitern gleichgestellt waren.
Den Partnerorganisationen der vorgesehenen Stiftung soll es jedoch freistehen, in „besonderen Fällen“ auch zivilgeschriebenen Gefangenen Leistungen zu gewähren.
Die in erster Linie Anspruchsberechtigten werden voraussichtlich in vier Kategorien eingeteilt:
Kat. A: In einem Konzentrationslager oder Ghetto Inhaftierte und zur Arbeit Gezwungene;
Kat. B: Aus ihrer Heimat nach Deutschland Deportierte, die unter Haftbedingungen arbeiten mussten;
Kat. C: Menschen, die in anderer Weise auf Grund nationalsozialistischen Unrechts bleibende Schäden davongetragen haben;
Kat. D: Menschen, die im Zuge rassischer Verfolgung unter Beteiligung deutscher Unternehmen Schäden erlitten haben und bisher dafür keine Wiedergutmachung erhalten haben
Es wurde damals ein Entschädigungsbetrag von 10 Milliarden DM vereinbart worden. Träger der lange überfälligen Entschädigungsmaßnahme wurde die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ sein, die ihrerseits zur Hälfte mit jeweils 5 Mrd. DM von der „Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft“ sowie von Bund und Ländern andererseits finanziert wird. Bisher sind 170 Unternehmen der Stiftungsinitiative beigetreten. Ob und wie der vorgesehene Beitrag erreicht wird, steht noch aus.
Ein anderer Aspekt der Entschädigung sollte auf der regionalen Ebene auch hier in Hemer geführt werden. Viele Firmen, die auch heute noch existieren oder zumindest Rechtsnachfolger sind, haben in der Hemeraner Region von Zwangsarbeit profitiert. Es sollte auch in der Region ein Fond geschaffen werden, mit dem die Völkerverständigung gefördert wird, bekannte Opfer zumindest eine symbolische Entschädigung erhalten, die Gedenkstättenarbeit und Besuche von Angehörigen finanziell unterstützt werden können.