Geld gleich KulturGeld gleich Kultur

Die Talfahrt des Britischen Pfundes unter Winston Churchill.

Am 4. November 1924 meldete die Presse einen neuerlichen Regierungswechsel in Großbritannien: „Die britische Regierung von Labour-Ministerpräsident James Ramsey McDonald, die im Januar 1924 angetreten war, tritt nach Verlusten der Partei bei den Unterhauswahlen vom 29. Oktober zurück. Premier wird der konservative Politiker Stanley Baldwin, der dieses Amt bereits vor McDonald inne hatte. Außenminister im Kabinett Baldwin wird Joseph Austen Chamberlain. Winston Churchill übernimmt das Amt des Schatzkanzlers.“ Der britische Notenbankchef Montagu Norman drängte den neu eingesetzten Finanzminister, so schnell wie möglich den Goldstandard wiedereinzuführen. Churchill hingegen war allerdings unsicher. Einige seiner Fachleute warnten, dass eine solche Entscheidung zu einer starken wirtschaftlichen Rezession führen würde. Nach langem Hin und Her folgte Churchill den Fürsprechern der Goldwährung. Im April 1925 verkündet er die Rückkehr seines Landes zum Goldstandard der Vorkriegszeit. Viele Briten jubelten. Um zu verstehen, was diese Entscheidung für die stolze britische Nation bedeutete, ist ein Blick in die Vergangenheit nötig. Bis zum Ersten Weltkrieg galt London als das maßgebliche Finanzzentrum der Welt: „Die wichtigsten Finanz- und Produktenmärkte befanden sich in London, und die meisten internationalen Zahlungen wurden in Pfund Sterling verrechnet. Sterling und Gold waren praktisch gegeneinander austauschbar, und hierdurch kam der Bank von England nicht nur die Ordnungsrolle für das britische Geldsystem zu, sondern zum großen Teil diejenigen für den Goldstandard und das internationale Zahlungssystem.“ Trotz einer überschaubaren Goldreserve der Bank von England von etwa 40 Millionen Pfund stand die Konvertierbarkeit des Pfundes in Gold nie ernsthaft infrage. Kam das Pfund Sterling ausnahmsweise unter Druck, war die Bank von England immer kreditwürdig: „Die Sterling-Währung wurde nie knapp, hatte keine Konkurrenten und galt fast so viel wie Gold. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das internationale Währungssystem der Vorkriegszeit ebenso sehr als Sterlingstandard wie als Goldstandard bezeichnet wurde.

Nach dem kräftezehrenden Ersten Weltkrieg hatte sich die Situation jedoch klar zugunsten der Vereinigten Staaten von Amerika verschoben. Großbritannien musste hohe Kriegslasten bewältigen: „Es hatte von allen größeren Ländern die größten Verbindlichkeiten und die kleinsten Goldreserven, während seine Zahlungsbilanzsituation alles andere als gesund war. Jede Verschlechterung dieser Zahlungsbilanz oder jeder Vertrauensverlust in das Pfund Sterling musste mehr Druck auf die Reserven ausüben, als diese ertragen konnten. Zwar hatte Großbritannien vor dem Krieg mit einer sehr geringen Goldreserve operiert, doch damals waren seine Verbindlichkeiten geringer, die kurzfristigen Darlehen konnten leichter gekündigt werden, die Zahlungsbilanz war viel gesünder und das Vertrauen in das Pfund Sterling hielt sich unerschütterlich.“

Die Aufwertung des Pfundes auf seinen früheren Wert von 7,3g Gold erwies sich unter diesen Voraussetzungen als tragische Fehlentscheidung. Mit der Entscheidung ging ein Wechselkurs von 4,86 Dollar einher. Zu einem derart hohen Kurs waren britische Waren international kaum noch konkurrenzfähig. Ein Großteil der britischen Kohle-, Stahl- und Schiffsindustrie stand vor dem Aus. Die Unternehmen mussten Löhne kürzen, Arbeitszeiten wurden verlängert, viele Beschäftigte entlassen. Die wirtschaftliche Situation Großbritanniens war so dramatisch, dass es 1926 zu landesweiten Generalstreiks kam: „Die britischen Arbeiter mussten in den Zwanzigerjahren mit ihren niedrigen Löhnen für ein starkes Pfund bezahlen, während es ihren Kollegen in Amerika und Frankreich wesentlich besser ging.“ Einen klassischen Goldstandard gab es dennoch nicht. Für eine Pfundnote gab es keine Goldmünzen: „In den sechs Jahren, in denen Großbritannien formal zum Goldstandard zurückkehrte, wurde jeder, der das Versprechen wörtlich nahm, zunächst gefragt, wofür er das Gold brauche. Die minimale Menge des einzutauschenden Goldes war nämlich ein außergewöhnlich schwerer Barren von 400 Unzen Gewicht.“
Im Jahr der Wiederherstellung des Goldstandard hatte die Royal Mint noch einmal 3,5 Millionen goldene Sovereigns mit einem Nennwert von einem Pfund Sterling geprägt. Danach stellte sie die Herstellung der Münzen für den gewöhnlichen Zahlungsverkehr aber ein. Das Gold sollte in den Tresoren der Bank of England gehalten werden. Lediglich die Münzstätten in Übersee prägten die Goldstücke noch eine Zeitlang weiter. Banknoten ersetzten die Goldmünzen. Die silberne Crown im Wert eines Viertelpfundes war nun der höchste Münzwert. In der Weltwirtschaftskrise kam das Pfund unter Druck. Im Juli 1931 musste die Bank of England in 20 Tagen etwa 30 Millionen Pfund in Gold abgeben. Hastig aufgenommene Anleihen in Frankreich und bei der Federal Reserve in den USA sowie massive Zinsanhebungen kamen zu spät: „Bei der angespannten Liquiditätslage im Ausland und dem erschütterten Vertrauen in das Pfund ist es fraglich, ob die Krise durch eine Bankrate von 10 Prozent hätte überwunden werden können, die nach traditioneller Meinung das Gold selbst vom Mond holen würde.“

Am 21. September 1931 verließ Großbritannien den Goldstandard.

Der Wert des Pfundes fiel bis Jahresende um 30 Prozent. Rückblickend bezeichnete Winston Churchill die Wiedereinführung des Goldstandard auf dem Niveau der Vorkriegszeit als größten Fehler seines politischen Lebens. Nach seinem Misserfolg als Schatzkanzler bekam er jedoch eine zweite Chance. Am 10. Mai 1940 trat der Mann an die Spitze einer britischen Kriegsregierung. Er hatte maßgeblichen Anteil am Zustandekommen der Anti-Hitler-Koalition zwischen Großbritannien, den USA und der Sowjetunion, die schließlich den Sieg über Deutschland und Japan errang. An eine Sanierung des Währungssystems war zu dieser Zeit natürlich nicht zu denken. Im Gegenteil: „Während der ersten beiden Kriegsjahre hatte Gr0ßbritannien fast 90 Prozent seiner Gold- und Devisenreserven in Höhe von zwei Milliarden Dollar verbraucht. 1939 waren es 519 Millionen Pfund (2,09 Milliarden US-Dollar) und im September 1941, auf dem Tiefpunkt des Krieges, 69 Millionen Pfund.“ Von den Folgen der beiden Weltkriege sollte sich das Pfund nie wieder ganz erholen. Trotz des militärischen Erfolges der Alliierten verlor Churchill mit den Konservativen die Unterhauswahlen des Jahres 1945.

Ein berühmter Ausspruch aus dem Leben von Sir Winston Churchill Schatzkanzler:

„Sparen ist toll, vor allem wenn die Eltern es für dich getan haben…“

2 Gedanken zu „Geld=Kultur – Sir Winston Churchill“

  1. Ein höchst interessanter Fachvortrag, s.g. Herr Gerber. Respekt!
    Wie sagt der Brite: „Again what learned.“
    Übrigens: Von Winston Chirchill könnte so manche(r) Zeitgenosse aktuell etwas lernen: Churchill sagte, als GB im 2. WK von Nazi-Deutschland (1942/42) massiv bedroht wurde, dass er mit dem Kriegsverbrecher Adolf Hitler niemals über einen Waffenstillstand verhandeln würde.
    Diese Einstellung von Churchill sollten sich heute, was den Umgang mit Russland (Stichwort: Überfall auf die Ukraine) betrifft, Leute wie Alice Schwarzer, Sahra Wagenknecht, Franz Alt, Oskar Lafontaine, Margot Käßmann, Erich Vad (General a.D. der Bundeswehr), Reinhard Mey usw. usw. endlich zu Eigen machen.
    Mit Wladimir Putin lässt sich am Verhandlungstisch keine Konsenslösung zur Beendigung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs auf die Ukraine finden. Leider.
    Putin versteht nur die Sprache von massiver Gegenwehr (mit allen damit verbundenen menschlichen Tragödien).


  2. Guter Spruch von Sir Churchill .

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