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Es ist brutal: Wir leisten es uns, Kinder und ihre Zukunft nachhaltig wegzuschmeißen und führen Scheindebatten. Fünf Grundsätze für eine gute Bildung der Zukunft.
Es wird verkannt, dass es auch in der Bildung klare und natürliche Gegebenheiten gibt. Neurowissenschaft, Psychologie und Immunologie haben bestätigt, dass jemand, der Angst, Stress, Hunger oder starken Erfahrungen von Scham ausgesetzt ist, weder gut lernen noch gut denken kann.
Dennoch kommen und gehen mehr als ein Drittel aller Schüler und Schülerinnen z.B. ohne Essen in die Schule. Pubertierende sind um 8 Uhr aufmerksam wie leicht alkoholisierte Erwachsene in der Nacht. 20 Prozent aller Kinder im Land der Dichter und Ideen können weder richtig lesen, schreiben noch rechnen. Dennoch tun wir so, als sei all das Verhandlungssache – ohne Masterplan, aber mit zum Teil lächerlichem Föderalismus.

Corona verschärft Rahmenbedingungen für Bildung

Fakten gehören zu den Rahmenbedingungen von Bildung. Seit über 20 Jahren steigt die Kinderarmut, gleich unter welcher Regierung. Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf: über 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche. Die Corona-Krise hat diese Situation für arme Kinder und ihre Familien, oft alleinerziehende Mütter, nachweislich massiv verschärft. Dennoch leisten sich Bund und Länder, in deren Hand die Bildung liegt, einen erheblichen Anteil jedes Jahrgangs schlicht abzuschreiben.

Man muss es so brutal sagen: Wir leisten es uns, Kinder und ihre Zukunft nachhaltig wegzuschmeißen. Die vor kurzem veröffentlichte RILLL-Studie „Entwicklung frühkindlicher Bildungsbedarfe“ untersuchte, wer warum in unseren Systemen die besten Chancen hat. Ein klares Ergebnis war: Die Unterschiede in den Betreuungsquoten zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund sind groß.

Einige Grundsätze für eine Bildung der Zukunft.


1. Neugier

„Intelligenz ist die Fähigkeit, den Raum des Nichtwissens nicht mit Vorurteilen zu füllen, sondern mit Neugier“, so Neurowissenschaftlerin Maren Urner. Kindergärten, Schulen, Hochschulen und Universitäten werden ihre Qualität nur halten können, wenn sie zu Institutionen der Neugier werden.


2. Nichtwissen

Neugier entwickelt sich nur da, wo Nichtwissen kein Makel, sondern Ziel von Bildung ist. Das klingt paradox. Jedes Smartphone erlaubt heute den Zugang zu mehr Wissen als den größten Genies der Menschheitsgeschichte je zur Verfügung stand. Was zählt ist, sich dem Nichtwissen auszusetzen und Probleme mit Hilfe solcher Wissenszugänge selbstständig zu lösen lernen. Unsere Zukunft hängt davon ab, wie wir mit Nichtwissen umzugehen lernen.


3. Entspanntes, freundliches Lernen

Das Lernen der Zukunft wird ein entspannteres, freundliches Lernen sein, in dem materielle Unterschiede in der Herkunft der Kinder durch die Bildungseinrichtungen wett gemacht werden. Nicht Privatschulen, sondern alle Schulen ermöglichen einen guten Zugang zu Musik, Kunst, gutem Essen und Sport. Das Lernen erfolgt, auch an Massenuniversitäten, in kleinen Gruppen.


4. Bewusstseinskultur

Zu einer Bildung, die in einer realen Umwelt überlebensfähig sein wird, gehört neben Wissen und Nichtwissen eine solide Erfahrung damit, wer „Ich“ bin im Kontext einer Gemeinschaft. Es gibt kein gutes, nachhaltiges Lernen, das nicht auch Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung verbessert. Aus diesem Grund werden Methoden und Techniken wie Stressreduktion durch Achtsamkeit oder Meditation zur (Aus-)Bildung der Zukunft gehören. Ohne Bewusstseinsethik und vor allem Bewusstseinskultur wird es keine Bildung mehr geben, die sich nachhaltig bewähren wird.


5. Komplexität verstehen und gestalten

Komplexität zu verstehen und zu gestalten, ist vielleicht die zentrale inhaltliche Kompetenz, die die Bildung der Zukunft vermittelt. Die alte Fachaufteilung der Schulfächer entspricht längst nicht mehr den Erfordernissen einer sich schnell wandelnden und vielfältigen Wirklichkeit. „Mit Komplexität leben zu lernen“, bemerkte der Soziologe Ralf Dahrendorf, „ist vielleicht die größte Aufgabe demokratischer politischer Bildung.“

Bildung bedeutet heute mit Blick auf die unmittelbare Zukunft: Lernenden zu ermöglichen, aktiv Wandel und Transformation zu realisieren inmitten einer als immer komplexer wahrgenommenen, oftmals widersprüchlichen Wirklichkeit und pluralen Gesellschaft.

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