Vor 100 Jahren – Die Hyperinflation von 1923 und seine „BLÜTEN“
Eine schwere Bewährungsprobe erwartete die junge Weimarer Republik 1923. Deutschlands Wirtschaft lag in Scherben, der Staat war pleite. Um dennoch seine Schulden bezahlen zu können, wurde ständig mehr Geld gedruckt. Die Inflation war eine Spätfolge des Ersten Weltkriegs.
Krieg kostet Geld, viel Geld. Geld, das ein Staat für Waffen, Munition, Soldaten, Verpflegung, Transport und Logistik ausgeben muss. Der Erste Weltkrieg verschlang enorme finanzielle Ressourcen. Geld, das das Deutsche Reich gar nicht besaß. Die Ersparnisse des Staates hätten im Sommer 1914 eigentlich nur für zwei Tage der überaus teuren Kriegsführung ausgereicht. Der Krieg dauerte aber mehr als vier Jahre.
Die Schlachten des Ersten Weltkriegs brachten nicht nur Millionen von Menschen den Tod in den Schützengräben. Sie bedeuteten auch eine immense Kapitalvernichtung in Europa. Das Geld ging buchstäblich in Rauch auf.
Die deutsche Reichsleitung war davon überzeugt, den Krieg zu gewinnen. Die Kosten des Krieges sollte dann der besiegte Gegner zahlen – eine Rechnung, die nicht aufging.
Doch nicht nur Deutschland hatte auf diese Weise kalkuliert, auch die alliierten Gegner waren von ähnlichen Überlegungen ausgegangen. Das besiegte Deutschland musste daher im Versailler Friedensvertrag den enormen Schadensersatzforderungen zustimmen.
Traumatische Inflation
Zu Beginn der 1920er-Jahre hatte das Deutsche Reich deshalb bei den Siegermächten riesige Schulden – und zusätzlich auch noch bei der eigenen Bevölkerung. Denn die hatte während der Kriegsjahre dem Staat Millionen von Mark für die Kriegskosten vorgestreckt – in sogenannten Kriegsanleihen.
Die Weimarer Republik stand also wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Sie musste das kriegsgeschüttelte Land wieder aufrichten, Kriegsanleihen an die eigene Bevölkerung zurückzahlen und Geld für die Reparationsleistungen aufbringen.
Als die Franzosen im Jahr 1923 wegen verspäteter Reparationszahlungen das Ruhrgebiet besetzten, verschärfte sich die Lage. Die deutsche Regierung rief zum passiven Widerstand, zu Sabotage und Streik auf. Im Gegenzug zahlte sie die Löhne an die Streikenden weiter. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Deutschland geriet in den Strudel der dramatischsten Geldentwertung, die das Land je erleben sollte.
Um seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, brachte die Regierung mehr und mehr Geld in Umlauf, auch wenn es für die immer höhere Anzahl Banknoten keine materiellen Gegenwerte im Land gab. Damit ist das Jahr 1923 das mit Abstand, das Jahr mit der größten Ausgabe von Banknoten bzw. Geldscheinen, die in den Umlauf gelangten. Zu den Ausgaben der Reichsbank und den privat Druckereien gesellten sich das Überregionale und Regionale Notgeld von Städten und Firmen. Viele dieser Geldscheine wurden nur einseitig gedruckt und somit stand die Rückseite für andere Drucke, Überdrucke und Texte zur Verfügung und liefen als Blüten im Geldkreislauf umher.
Zeige hier einige Bildbeispiele.
Wie stark die Kaufkraft im Deutschen Reich im Jahr 1923 sinkt, zeigen die Zahlen:
Im Mai 1923 kostet ein Kilogramm Brot 474 Mark.
Im Juli ist der Preis schon auf 2200 Mark gestiegen.
Anfang Oktober muss für ein Kilo Brot die Summe von 14 Millionen Mark bezahlt werden.
Nur vier Wochen später kostet der Brotlaib 5,6 Milliarden Mark.
Der Preisverfall und die Geldentwertung der Hyperinflation sind nicht zu stoppen. Wer seinen Lohn nicht sofort in ein Geschäft trägt, um etwas zu kaufen, kann manchmal Stunden später für sein Geld schon nichts mehr bekommen. Abgerechnet wird in Geldbündeln statt in Scheinen, Geld wird in Schubkarren transportiert oder auch in Bündeln verbrannt, um Wärme im Ofen zu haben. Die Ersparnisse der Menschen lösen sich über Nacht in Nichts auf.
Die Preise in Berlin am 2. Dezember 1923:
1 Ei – 320 Milliarden Mark
1 Liter Milch – 360 Milliarden Mark
1Kilo Kartoffeln – 90 Milliarden Mark
1 Straßenbahnfahrt – 50 Milliarden Mark
1 Dollar entspricht 4,21 Billionen Mark
Geldentwertung der Inflation 1923 soll gebremst werden
Dass die ruinöse Talfahrt des deutschen Geldsystems unbedingt gestoppt werden muss, erkennen auch die Siegermächte. Schließlich kann nur ein wirtschaftlich funktionierendes und starkes Deutsches Reich die Reparationszahlungen aus dem 1. Weltkrieg leisten. Verschiedene Ansätze werden durchdacht – auch von Seiten der deutschen Regierung.
Der plausibelste Vorschlag kommt vom deutschen Finanzfachmann Karl Helfferich: Eine neue Währung muss her – aber wie? Gedeckt werden soll das neue Zahlungsmittel durch die Belastung von Sachwerten, die im Land vorhanden sind. Dafür wird extra ein eigenes, privatwirtschaftliches Geldinstitut gegründet: die Rentenbank.