Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Echinger Bürgerinnen und Bürger,
zum zweiten Mal in diesem außergewöhnlichen Jahr wird unser aller Leben runtergefahren und eingeschränkt. Die Belastungen für nahezu alle Bereiche unserer Gesellschaft sind kaum tragbar. Die Corona-Pandemie gebietet unserem ständigen Wachstum, unserer wirtschaftlichen Entwicklung und unserem freiheitlichen Leben Einhalt.
Sowohl die Bayerische Staatsregierung als auch die Bundesregierung stehen deshalb immer mehr unter Beschuss der Corona-Müden, den Corona-Leugnern und allen Formen von Verschwörungstheoretikern. Auch im Internet kursieren die abenteuerlichsten Fake News hinsichtlich dieser Pandemie.
Natürlich kann man den einen oder anderen Punkt, die eine oder andere Maßnahme der Regierung kritisch hinterfragen, aber ich finde es wichtig, die Grundgedanken dahinter zu erklären, so oft es geht.
Zunächst ist wichtig zu verstehen, dass wir es mit einem prinzipiell tödlichen Virus zu tun haben, weil jedes Virus, das neu auftaucht, prinzipiell tödlich verlaufen kann.
Wir sind das am Anfang des 21. Jahrhunderts nicht mehr gewohnt, weil in den letzten 120 Jahren so ziemlich alle viralen und auch bakteriellen Erkrankungen durch den medizinischen Fortschritt quasi „besiegt“ wurden. Es gibt nahezu gegen alle derartige Erkrankungen Impfungen oder Medikamente: von den „klassischen“ Infektionskrankheiten wie Polio, Masern, Cholera, Pest, TBC und anderen bis hin zu HIV (wogegen es zwar keine Impfung gibt, aber doch gezielte Medikamente). Daher hat unsere Generation Angst vor Krebs, Demenz oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nicht aber vor Masseninfektionskrankheiten. All das – Impfungen, Medikamente – gibt es gegen Corona noch nicht. Daher müssen wir davon ausgehen, dass auf eine Infektion mit dem Virus eine schwere, ja tödliche Erkrankung folgt.
Wir wissen schon relativ viel über das Virus – viel mehr als z.B. die Menschen im Jahr 1918 über die Influenza (Spanische Grippe) wussten; erst Anfang der 1930er Jahre haben die Mediziner damals verstanden, dass es sich um eine Viruserkrankung handelt und erst 1936 gab es den ersten Impfstoff dagegen.
Da sind wir wirklich viel weiter: mehrere Impfstoffe stehen kurz vor der Zulassung; weitere sind in der 3. Klinischen Erprobungsphase. Das ist eine gute Nachricht. Andererseits wissen wir gleichzeitig noch sehr wenig, vor allem über die konkreten Krankheitsverläufe und vor allem die mittel- und langfristigen Folgen.
Das ist der Grund dafür, warum wir mit Umsicht und Vorsicht agieren. Der Kerngedanke lautet: es sollen sich so wenig Menschen wie möglich infizieren. Daher haben wir in Deutschland den Weg der Eindämmung gewählt, nicht den der „Durchseuchung“.
Laut den führenden wissenschaftlichen Forschungsinstituten wäre eine „Durchseuchung“ nicht mehr kontrollierbar. Aufgrund der exponentiellen Entwicklung des Virus (ein Infizierter steckt 3-4 weitere Personen an) hätten wir schon in wenigen Wochen 90.000 Neuinfektionen pro Tag in Deutschland. Das würde natürlich auch zu zahlreichen schweren Erkrankungen führen, mit denen unser Gesundheitssystem dann nicht mehr zurecht käme. Wir haben das in anderen Ländern der Welt gesehen und auch jetzt schon füllen sich die Krankenhäuser auch in Deutschland und in Bayern. Auch wenn derzeit noch Kapazitäten frei sind und das für viele noch kein Grund zur Sorge ist: in wenigen Wochen ist es mit mathematischer Sicherheit soweit – die Menschen im Land hätten kein Verständnis, wenn dann keine Betten mehr frei, keine Testkapazitäten mehr vorhanden wären und die Eingrenzung von Ausbruchsgeschehen völlig illusorisch würde.
Erst letzte Woche wurde aus Russland berichtet, dass die Krankenwägen die Patienten erst von zuhause abholen, wenn überhaupt wieder ein Bett verfügbar ist, was teilweise bis zu vier Tage dauert.
Dieses Szenario der Überforderung des Gesundheitssystems ist kein Horrorgemälde, sondern die zwingende Folge, wenn man die Infektionen aus dem Ruder laufen lässt.
Im Frühjahr waren wir fast schon an der Grenze. Durch den ersten Lockdown (der einschneidender war als der jetzige) ist es gelungen, die Infektionszahlen wieder zu drücken („flatten the curve“). Die Zeit haben wir genutzt, um Intensivkapazitäten auszubauen und den öffentlichen Gesundheitsdienst zu stärken („raise the line“).
Durch die Lockerungen im Sommer, den Reiseverkehr, die Unbeschwertheit im Umgang mit der Pandemielage sind die Infektionszahlen wieder angestiegen; auch in Bayern, wobei wir derzeit im Mittelfeld in Deutschland liegen, aber darauf kommt es letztlich nicht an.
Es ist ohne Immunität in der Bevölkerung keine Überraschung, dass eine weitere Infektionswelle über Deutschland, aber letztlich weltweit aufritt.
Denn: das Virus folgt einfach seiner Biologie und verbreitet sich, sobald es auf einen Wirt trifft. Erst wenn ca. 65-75% der Bevölkerung immun sind, gibt es nicht mehr genügend „aufnahmefähige“ Wirte, so dass das Virus dann zwar nicht verschwindet, aber eben kein Unheil in diesem Umfang mehr anrichten kann – wie andere Viren auch. Das Virus nimmt sich also letztlich den Raum, den man ihm lässt.
Bis diese Immunität durch Impfung erreicht ist, müssen wir daher weiterhin die klassischen Gegenmaßnahmen der Seuchenbekämpfung anwenden. Damit das Virus möglichst wenig Menschen erreicht, müssen wir daher also Kontakte vermeiden und Ansteckung verhindern. Das geschieht durch Abstand, Maske, Vermeidung von Reisen, Vermeidung von Menschenansammlungen etc. Das sind die klassischen Methoden, die von jeher gegen Masseninfektionskrankheiten eingesetzt wurden.
Da wir derzeit ein hochdynamisches Infektionsgeschehen haben, müssen diese Kontakte maßgeblich reduziert werden – genauer gesagt um 75%, das ist die klare Empfehlung der Experten. Das ist im Übrigen die einhellige Meinung der überwiegenden Zahl von Virologen und Epidemiologen, ebenso wie der Intensivmediziner und anderer Medizinier. Natürlich gehört auch dazu, die Menschen, die besonders anfällig sind – die vulnerablen Gruppen – besonders zu schützen. Wir sehen das daran, dass beispielsweise in Seniorenheimen die Todesrate besonders hoch ist; auch in Einrichtungen im Landkreis Freising haben wir das schon erleben müssen. Aber: die vulnerablen Menschen leben nicht nur in Einrichtungen, sondern natürlich überall und mitten unter uns; nicht alle Menschen über 60 und schon gar nicht jüngere mit Vorerkrankungen oder Schwangere leben in Heimen etc. Ganz abgesehen davon, dass eine völlige Abschottung dieser Menschen („Cocooning“) auch erhebliche Kollateralschäden mit sich bringen würde, denn wir wollen ja gerade nicht, dass man die Menschen dann nicht mehr besuchen könnte oder ähnliches.
Außerdem hat die Staatsregierung – im Gegensatz zum Frühjahr – bewusst entschieden, Schulen, Kitas und das normale Berufsleben nicht besonders einzuschränken. Das heißt wiederum, dass viele Kontakte unabdingbar sind. Andererseits heißt das aber, dass eben Kontakte in allen anderen Bereichen stärker beschränkt werden müssen: natürlich vor allem im Privatbereich (daher die Kontaktbeschränkung auf die beiden Hausstände), aber auch im sonstigen sozialen Leben. Dass das z.B. für die Gastronomie, aber auch für Kunst und Kultur, das Vereinsleben etc. zu starken Einschränkungen und Härten führt, ist völlig unbestritten. Aber: 75% der Kontakte sind derzeit nicht mehr auf einen Ursprung zurück zu führen. Das liegt nicht daran, dass die Gesundheitsämter ihre Arbeit nicht machen, sondern dass das Infektionsgeschehen so diffus ist, dass die Infizierten selbst nicht sagen können, wo sie sich infiziert haben. Das ist wiederum der Grund dafür, warum die wirklich guten Hygienekonzepte in allen Bereichen derzeit nicht ausreichen, um die Infektionen einzudämmen, sondern eben nur die Vermeidung der Kontakte helfen kann. Es ist letztlich wie bei einem Brand: wenn die Feuerwehr kommen muss, sind Brandschutzkonzepte dann zu spät.
Wenn wir also in den nächsten drei Wochen die Infektionen hoffentlich wieder auf ein erträgliches Maß „drücken“ können – also wieder auf eine wöchentliche Inzidenz von ca. 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner kommen -, dann können auch die Hygienekonzepte wieder wirken und die Maßnahmen gelockert werden.
Auch dann wird das Virus noch nicht „besiegt“ sein, sondern wieder anfangen, seiner Biologie zu folgen und sich den Raum zu nehmen, den man ihm gibt.
Wir sind mit unserer Strategie, die ja keine rein bayerische ist, sondern die bundesweit so verfolgt wird, bislang besser durch die katastrophale Lage gekommen als viele andere Länder um uns herum und weltweit. Daher dürfen wir jetzt nicht locker lassen, sonst entgleitet uns die gesamte Situation und es wird um so schwerer, sie wieder in den Griff zu bekommen.
Auch die Rechtsgrundlagen für die Maßnahmen der Regierung sind nicht zweifelhaft. Alle Maßnahmen stützen sich auf das Bundesinfektionsschutzgesetz, das den Rahmen setzt und die Bundesländer in die Lage versetzt, mit Verordnungen die Details zu regeln. Der Bund wird im Übrigen die Rechtsgrundlage nochmals nachschärfen, da es eine solche Lage noch nie gab und einige Gerichte und Juristen darauf hinweisen, dass die Rechtsgrundlage durch den Bundestag detailliert sein muss. Gleichwohl haben alle zentralen Maßnahmen vor den Gerichten bisher gehalten; teilweise hat die Staatsregierung nachsteuern müssen, aber das waren nie die zentralen Punkte wie Kontaktbeschränkungen, die Maskenpflicht oder derartige Maßnahmen.
Die führenden Politiker sind in ständigem Austausch mit erfahrenen Wissenschaftlern und Ärzten, aber auch Juristen, Ethikern, Pflegepersonal etc., weshalb die Maßnahmen auch fachlich fundiert sind.
Daher bin ich fest davon überzeugt, dass wir in einer sehr ernsten Situation sind, die konkrete Maßnahmen erfordert und dass diese Maßnahmen auch richtig und zielführend sind.
Natürlich ist die Bekämpfung einer solchen Masseninfektionskrankheit keine Sache nur von politischen Entscheidungen – sondern sie muss getragen sein vom Verständnis und der persönlichen Mitwirkung der Menschen in unserem Land und weltweit.
Daher werbe ich ganz generell und speziell mit diesem Leserbrief dafür, diese Maßnahmen mitzutragen, um großen Schaden von den Menschen in unserem wunderschönen Land abzuwenden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen beste Gesundheit und bitte um Rücksicht auf unsere Mitmenschen, für die eine Ansteckung mit Covid-19 lebensbedrohlicher verlaufen kann als bei den jüngeren und gesunden.
Mit freundlichen Grüßen
Yavuz Kalkan